Liebe Storchenfreunde,
ich bin neu in diesem Forum, verfolge die Kirchzartener Störche aber auf YouTube schon seit Mai, als ich am Kaiserstuhl Urlaub gemacht habe und auf der Suche nach Webcam der Endinger Störche zufällig auf die Kirchzartener Störche gestoßen bin.
Ich bin Informatiker, habe zudem im Nebenfach Biologie studiert und bin Hobbyornithologe und denke mit meinem technischen Wissen einige der Fragen aus den letzten Tagen beantworten zu können, auch wenn ich KEIN dezidierter Experte für Satellitentelemetrie von Vögeln bin.
Laut der Webpage der Kirchzartner Störche wurde Maxi mit einem Sender der Firma e-obs
https://e-obs.de/produkte/bird-solar-cellular-template/ besendert. Dieser hat als Sensoren neben einem GPS Empfänger ein Accelerometer, ein Gyroskope und ein Magnetometer. Während man mit dem GPS Empfänger die Position und Höhe bestimmt, kann man dem mit dem Accelerometer Beschleunigungen und Abbremsungen und mit dem Gyroskop Winkelbewegungen messen. Der GPS Empfänger erlaubt es also die Location von Maxi im Großen zu bestimmen, während man mit den Accelerometer- und Gyroskopdaten feststellen kann, wie sich Maxi gerade bewegt, ob sie beschleunigt oder bremst oder eine Kurve fliegt. Zudem liefern diese Sensoren Informationen wie Maxi Ihre Flügel einsetzt, ob sie z.B. mit den Flügeln schlägt oder sich im Gleitflug befindet. Der Magnetometer liefert Informationen zum aktuellen Magnetfeld der Erde, was interessant ist, da man annimmt, daß sich zumindest gewisse Zugvögel am Magnetfeld der Erde orientieren.
Die Höheninformation im Animaltracker kommt somit vom GPS Sensor und nicht, wie von manchen vermutet, von einer Luftdruckmessung. Man kann zwar durch eine Luftdruckmessung die Höhe bestimmen, das setzt aber voraus, daß man den Luftdrucksensor mit einer bekannten Höhe kalibriert und sich zudem der Luftdruck in der jeweiligen Zone nicht ändert, was z.B. der Fall wäre, wenn Maxi in ein Hoch- oder Tiefdruckgebiet fliegen würde. Deshalb ist eine luftdruckbasierte Höhenmessung zumindest für eine Langzeitbeobachtung ungeeignet und der Tracker von Maxi hat auch keinen Luftdrucksensor.
Die Genauigkeit der Höhenmessung von GPS Sensoren hängt von diversen Faktoren ab, auf die ich hier nicht näher eingehen will. Generell ist sie aber nicht allzu genau, sprich Schwankungen von +-50 m sagen ziemlich wenig und man kann aus diesen Daten sicher nicht schließen, ob Maxi auf dem Boden oder auf einem Baum ist.
Nun zu den Hypothesen hinsichtlich des Verrutschen des Trackers. Hier geht es nicht um den GPS Sensor sondern um die Accelerometer und die Gyroskopsensoren. Der GPS Sensor mißt Laufzeitdifferenzen der Signale von über den Himmel verteilten Satelliten und berechnet aus diesen mittels geometrischer Funktionen die Position und Höhe von Maxi. Dabei ist es ziemlich egal, wo am Körper von Maxi sich der Tracker befindet. Bei den Accelerometer und Gyroskopen kommt es hingegen sehr wohl auf die Positionierung des Trackers an. Stellt auch vor, ihr habt den Tracker auf dem Handrücken und bewegt Eure Hand nach ob, dann Melder der Tracker eine Bewegung nach oben. Jetzt nehmen wir an, daß Ihr den Tracker zwischen Daumen ud Zeigefinger haltet, allerdings mit einem Winkel von 45° zum Handrücken. Wenn Ihr jetzt die Hand wie vorher nach oben bewegt, dann wird der Tracker aufgrund der Repositionierung eine Beschleunigung in zwei Richtungen melden.
Jetzt werdet Ihr fragen, was das für das Schicksal von Maxi bedeutet und ob uns die Firma e-obs weiterhelfen kann. Die Antwort lautet leider nein, weil sie dafür die an die Movebank übertragenen Rohdaten aus dem Tracker bräuchte, die nur für die an der Studie beteiligten Wissenschaftler am MPI zugänglich sind.
Hinsichtlich der Kommentare, daß man doch einfach im Gestrüpp suchen sollte, möchte ich anmerken, daß Gestrüpp in Südandalusien nicht mit Gestrüpp in unseren Breiten gleichzusetzen ist, was auch das Video zeigt. Ich war 2018 auf einer Vogelbeobachtungstour in der Nähe und um da durchzukommen braucht man wohl ein Machete. Per Drohne zu suchen macht ggf. Sinn, setzt aber voraus, daß jemand eine solche hat.
Daß die Leute aus El Puerto de Santa Maria nicht antworten, sollte Ihr ihnen nicht übel nehmen. Das ist ziemlich weit weg.
Ich habe mir auch das Umfeld von Maxi's Verschwinden auf Satellitenbildern und Google Street View genauer angeschaut. Dabei fällt auf, daß es dort zig Storchennester von Störchen gibt, die potentiell das ganze Jahr dort leben.
https://www.google.de/maps/place/Gibral ... FQAw%3D%3D
https://www.google.de/maps/place/Gibral ... FQAw%3D%3D
Es ist also gut möglich, daß Maxi in einen Kampf mit Artgenossen verwickelt wurde und dabei verletzt wurde oder zu Tode gekommen ist.
Schaut man sich ihre Flugtrajektorien im Umkreis an, dann flog sie immer wieder etwa 1 km gen Westen zu einem Steinbruch. Evtl. hat sich in diesem Steinbruch Wasser gesammelt oder der Steinbruch wurde mit Müll aufgefüllt, es scheint in jedem Fall so zu sein, daß es dort Nahrung gab. Ggf. hat sie sich dort mit etwas vergiftet.
Zuletzt muß man wissen, daß es in dem Gebiet (glücklicherweise) ziemlich viele Greifvögel gibt wie Schwarzmilane, die einem Jungstorch durchaus noch gefährlich werden können.
In Summe stehen die Chancen für Maxi wohl nicht so gut, aber vielleicht hat das Ganze ja doch noch ein Happy End dank der Helfer vor Ort. Letztlich müssen wir mit der Tatsache leben, daß weniger als 50% der Jungstörche das erste Jahr überleben. Wo wir unmittelbar helfen können, sollten wir das natürlich tun. Was aber aus meiner Sicht viel wichtiger ist, daß wir durch unser persönliches Verhalten dazu beitragen, daß die Lebensräume von Tieren durch unser Zutun nicht immer weiter verkleinert werden, sei es durch Außenbeleuchtungen an unseren Häusern, die zu Lichtverschmutzung führen, die Insekten und damit eine Nahrungsquelle von Vögel tötet, sei es durch das jährlich neue Smartphone, für das in Minen seltene Erden gefördert werden müssen, was zu entsprechenden Rodungen und Habitatverlust führt, sei es durch das Buchen von Urlaubsreisen in Bettenburgen mit weiten Poollandschaften, die viel zu viel Platz brauchen.
Einen schönen Abend
Stephan